Denkwerkstätte

2020 | Hittisau | Österreich
Bauaufgabe: Stadelsanierung
Bauherr: Georg Bechter

Auszeichnungen:
2022 Iconic Award "Best of Best"
2021 Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit
2021 Materialpreis


Vorhandenes Weiterbauen: Stall wird zum modernen Arbeitsplatz.

Landwirtschaftliche Gebäude stellen mit ihren immer größer werdenden Kubaturen neue Herausforderungen an die Raumplanung und an ihre Nachnutzung. In ihrer ursprünglichen Funktion oftmals nicht mehr gebraucht prägen Ställe und Scheunen die Kulturlandschaft des Bregenzerwaldes. So auch dieses landwirtschaftliche Gebäude, das einst eines der ersten großen Wirtschaftsgebäude in der Region darstellte und nach der Betriebsauflösung eine Nachnutzung suchte.

Projekt 2
Projekt 2
Bild 2

Georg Bechter, aufgewachsen auf dem Hof, ist heute Architekt und Designer. Das räumliche Potential des Bestandes sah er als Chance das ehemalige Wirtschaftsgebäude weiter zu nutzen und seine beiden Arbeitsfelder – das Architekturbüro GEORG BECHTER ARCHITEKTUR+DESIGN und die Leuchtenfirma GEORG BECHTER LICHT mit insgesamt 20 Mitarbeitern – unter einem Dach zusammenzufassen.

Weiterführen, Weiterbauen von Vorhandenem ist ein großer Beitrag zur Nachhaltigkeit und bietet viel Potenzial für unverwechselbare Räume. Neben den Einschränkungen, die das Bauen im Bestand mit sich bringt, bietet Bestehendes oft ungeahnte Möglichkeiten, die es mit Erfindergeist und Mut zu Neuem auszuloten gilt. Die an diesem Ort seit Jahrzehnten gelebte Naturverbundenheit spiegelt sich im Umbau in der Wahl der Materialien sowie auch in der Entwicklung der Räume und ihrer Nachnutzung wider. So wurden mit größter Sorgfalt die vorgefundenen Strukturen berücksichtigt und in Bedachtnahme dieser weitergebaut.

Bild 2
Bild 2
Bild 2

Raumkonzept. Wo noch vor drei Jahren die Kühe im Stall standen, werden heute in der Gipsmanufaktur Lichtlösungen in Form gegossen. In der großzügigen Scheune gliedert sich die Bürofläche auf zwei Etagen und lässt noch immer die Offenheit des ehemaligen Raumes spüren. Dort, wo früher die Maschinen unter einem großen Vordach gelagert wurden, ist heute ein Wintergarten mit Begegnungszone, Gemeinschaftsküche und Erschließungsbereich gleichermaßen. Dreimal in der Woche wird hier gekocht von der „guten Fee“, welche im Wintergarten neben Feigen, Indubanane und sonstigen Südfrüchten auch das wachsende Gemüse betreut. Und wo bisher die Jauchegrube war, wurde der Bestand für einen Eisspeicher genutzt, der zum Heizen und Kühlen des gesamten Gebäudes verwendet wird.

Die Raumstruktur bildet den Fertigungsprozess ab, schafft kurze Wege und lässt Blickbeziehungen in die einzelnen Arbeitsbereiche zu. Die Büroräumlichkeiten organisieren sich im großen, offenen Raum, welcher mit einer Galerie gestaffelt und einem zentralen Kern differenziert wird. Somit entstehen einzelne Arbeitsbereich, welche viele Blickbeziehungen zulässt. Vermeintliche Einschränkungen wurden mit sensibler Gestaltung in erlebbare und nutzbare Räume verwandelt, welche die bestehenden Rahmenbedingungen mit neuen Qualitäten verbinden. So entstand auf Grund der Belichtungstiefe von 17 Metern ein Lichttrichter, der nicht nur den Blick in den Himmel inszeniert, sondern auch reichlich Licht in den Raum bringt.

Bild 1
Bild 2
Bild 4
Bild 3
Bild 3
Bild 1
Bild 2

Um den Bezug zum Dorf und zur Westsonne herzustellen wurde ein Lufttrichter in den Baukörper integriert, der sich als Terrasse in das bestehende Volumen einschneidet. Der unter die Vordachkonstruktion integrierte Wintergarten öffnet sich in die unverbaute Landschaft und wirkt neben seiner Funktion als Kommunikationszone auch als natürlicher Wärmepuffer.

Von Herbst bis Frühjahr kann die entstehende Wärme direkt in die Arbeitsräume geleitet werden. Im Sommer jedoch wird die Wärmeenergie abgeleitet und verhindert ein Überhitzen der dahinterliegenden Büroräumlichkeiten. Mit der dadurch entstehenden Abschattung ist eine Belichtung von Süden mit Durchlicht zu den großen Nordfenstern auch für Bildschirmarbeitsplätze bestens möglich ohne dass der Bezug zum Außenraum verloren geht.

Der Baukörper ist in einer Randlage zum Baumischgebiet. Unter die Häuser mischen sich Gewerbe. Die bestehende Kubatur sollte als Mehrwert für die Siedlungsstruktur weiterentwickelt werden und sich als wertiger Baukörper gut integrieren. Straßenseitig befinden sich die Erschließungsflächen, während sich der Baukörper südseitig mit dem Wintergarten zur Landschaft vollkommen öffnet. Der als schopfartige Terrasse entwickelte Lufttrichter öffnet sich wie eine Kamera Obscura der davorliegenden Grünfläche und der Dorfstruktur.

Bild 3
Bild 2
Bild 2
Bild 2
Bild 3
Projekt 2

Material.

Die diagonal verschalte Holzlattung versucht eine Maßstäblichkeit für die große Kubatur zu finden – die wabenhafte Struktur lässt eine Feinheit erahnen, welche der Nutzung im Inneren gerecht wird. Im Streiflicht erwacht die "dritte Dimension" der Oberfläche welches auch das Credo der Firma GEORG BECHTER LICHT widerspiegelt. Eine Fassade, welche die heimische Bergfichte fordert und ihre Potenziale und Vielfältigkeit fördert.

Die Materialwahl ist reduziert und naturverbunden. Galt die Scheune die letzten Jahrzehnte als Lager für Heu und Stroh, war es naheliegend das Gebäude auch mit diesem Material zu dämmen. So wurde das bestehende Riegelwerk mit rund 650 Strohballen ausgefacht und mit Lehmputz aus der eigenen Baugrube verputzt.

Auch der Fußboden ist nichts weiter als gestampfte ERDE – geschliffen und verfeinert bis ein „Lehmterrazzo“ entstand. Die Decke im Büro wurde mit 9mm heimischer Schafwolle beplankt und sorgt für eine angenehme Akustik in den Büroräumen. Mit Stroh, Schafwolle, Lehm und dem Holz aus der Region ist der größte Teil der Baumaterialien ohne weitere Aufbereitung in den natürlichen Kreislauf rückführbar. Dies alles sollte nicht als große Besonderheit des Gebäudes dienen, mehr ist es eine unserem Leben geschuldete Selbstverständlichkeit.

Durch die Beauftragung lokaler Handwerker wurde die Wertschöpfungskette im hohen Maße regional verankert. So wurden auch die 250 Laufmeter Regale und das Hochregallager nicht aus industriell gefertigter Massenware hergestellt, sondern von lokalen Handwerkern mit Holz aus der Region gefertigt.